Im TGV nach Paris und Nantes

150605Zug1Um vom Atlantik aus quer durch Frankreich heimzuradeln, müssen wir erst mal dort hin gelangen. Ursprünglich hatten wir geplant von daheim aus loszufahren Richtung Westen und irgend eines Tages am Meer anzukommen. Organisatorische Gründe haben uns dann bewogen es umzukehren. Zudem hofften wir den Westwind als Rückenwind ausnützen zu können, ein fataler Irrtum, wie wir bald merken sollten… Doch alles schön der Reihe nach.
Nun sitzen wir also im TGV nach Paris im vordersten Wagen, die vollgepackten Räder direkt neben uns. Kurz nach der Abfahrt in Basel setzt sich ein junger Schwarzer zu uns, er wirkt sehr unsicher und nervös und nestelt ständig an seinem Gepäck herum. Vor Mulhouse betreten drei französische Grenzbeamte unser Abteil und knöpfen sich sofort unser Gegenüber vor. Aus seinem kleinen Rucksack entnehmen sie mit Klebband behelfsmässig verschlossene Body Lotion- Flaschen mit undefinierbarem Inhalt. Der Zug kann erst weiterfahren, nachdem der Ärmste seine Siebensachen zusammengerafft und flankiert von den Grenzwächtern ausgestiegen ist. Schon etwas seltsam, aber uns tut er trotzdem Leid… Kurze Zeit später sitzt uns ein pakistanisches Ehepaar gegenüber, mit dem wir uns bis Paris angeregt unterhalten.

150605ZugUm 11.37 Uhr Ankunft im Gare de Lyon, wo wir uns sofort auf die Suche nach dem Weg zum Gare de Montparnasse machen. Ich habe am Vorabend den Stadtplan studiert und weiss nun ziemlich genau, wo wir durch müssen, im Notfall kann man einen Passanten fragen. Meinem lieben Technikfreak genügt das nicht. Er hält an und will unbedingt das GPS auf seinem Handy aktivieren, obwohl wir uns bereits auf der richtigen Strasse befinden. Achtlos steckt er es in den Hosensack. Nach etwa zweihundert Metern bemerkt er, dass er es verloren hat. Wir fahren sofort die Strecke zurück und suchen jeden Meter ab. Doch es ist weg. Ruedi ist am Boden zerstört, hat er doch eine spezielle App heruntergeladen, die alle Unterkünfte auf der Route anzeigt. Zudem hat er ein französisches Abo zum Telefonieren und Zugriff aufs Internet sowie ein kleines Keyboard für mich gekauft, um die Reiseberichte direkt aufs Handy zu schreiben. Ich vertröste ihn mit der Aussicht auf „strahlenfreie“, ruhige Tage und viele persönliche Unterhaltungen (auf Französisch natürlich) in den verschiedenen Office de Tourisme. Zur Not habe ich ja noch mein Steinzeit-Nokia dabei.

Weiter nach St -Nazaire
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In Nantes angekommen warten wir auf den Anschlusszug nach St. Nazaire, der jedoch von Pendlern gestürmt wird, so dass wir mit unseren Rädern gar nicht hineinkommen.
Neben uns schafft es ein anderer Radfahrer ebenfalls nicht und gemeinsam warten wir auf den nächsten Zug. Unser äusserst sympathischer Gesprächspartner entpuppt sich als Familienvater aus St. Nazaire, der in Nantes arbeitet und mit seiner Familie ebenfalls häufig mit dem Velo unterwegs ist. Eh wir uns versehen hat Olivier mit seiner Frau telefoniert und wir sind für die kommende Nacht bei ihnen eingeladen! 150605Gruhuel2Wir sind sprachlos… und seine Frau scheint es im ersten Moment auch zu sein, als wir etwas schüchtern hinter ihm ins Haus eintreten. Es ist ja schliesslich nicht jedermanns Sache, zwei völlig Fremden mir nichts dir nichts Unterkunft zu bieten. Bald merken wir aber, dass Isabelles grösstes Problem ist, dass sie uns ihrer Meinung nach kein adäquates Nachtessen aufstellen kann. Wir bieten an noch einige Dinge, u.a. eine gute Flasche Wein, einzukaufen und „futtern“ einige Zeit später gemütlich mit der Familie eine einfache, aber sehr gute Mahlzeit, begleitet von interessanten Gesprächen.